Die «Grüne Welle» nahm Einzug ins Jagdwesen wie in anderen Bereichen des täglichen Lebens. Vorschriften und Gesetze wurden erlassen, womit wir bei der heutigen Situation wären. Ohne weiter auf die geschichtliche Entwicklung der unterschiedlichen bleifreien Geschosse einzugehen, möchte ich die heute verfügbaren Geschosse im nachfolgenden Teil dem Jäger näherbringen. Dabei besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Grundsätzlich gibt es vier bleifreie Geschossgruppen mit unterschiedlicher Wirkung:
- Deformationsgeschosse: Geschosse, die den Geschossquerschnitt unterschiedlich vergrössern (je nach Geschossgeschwindigkeit und Geschossaufbau) und ein hohes Restgewicht von 95 %+ erreichen.
- Teilzerlegergeschosse: Geschosse, die sich im Zielmedium teilzerlegen und so eine hohe Gewebezerstörung hervorrufen und für enorme Stoppwirkung sorgen. Geschossrestgewicht je nach Zerlegungsgrad massiv kleiner als beim Deformationsgeschoss. Tiefenwirkung somit kein Hauptkriterium für Nutzer von Teilzerlegergeschossen.
- Vollzerlegergeschosse: Bleifreie Geschosse für höchste Zerlegung mit minimaler Hintergrundgefährdung; Haupteinsatz: maximale Tötungswirkung ohne Anspruch auf Wildnutzung — z. B. Raubwild oder Raubzeug.
- Formstabile Monolithgeschosse: Keinerlei Deformation oder Verformung gewünscht; nur für den Einsatz auf Grosswild gedacht mit extremer Tiefenwirkung und minimaler Geschossablenkung im Zielmedium, vergleichbar mit Vollmantelgeschossen.
Alle Munitionshersteller bieten heute Munition mit unterschiedlichen bleifreien Geschossen an. Grundsätzlich aber nicht in der Auswahl wie mit bleihaltiger Munition. Wenn ein Hersteller neben bleifreien Deformatoren auch Teilzerleger anbietet, ist schon von einer breiten Palette auszugehen. Bei gewissen Kalibern ist die Auswahl zudem minimal oder gar nicht vorhanden. Hier ist der Wiederlader in einer massiv besseren Position. In den unterschiedlichen Kalibern findet der Wiederlader alle Arten von Geschossen und Geschossgewichten und wird sicher ein Geschoss finden, welches seinen Ansprüchen gerecht wird.
Bei der Munitionsauswahl muss der Gedankengang zu der bis jetzt genutzten verbleiten Munition vergessen werden. Hat jemand zum Beispiel bis jetzt verbleite Munition im Kaliber .30-06 Springfield mit einem Geschossgewicht von 180grs. / 11.7g verwendet (Geschossform irrelevant), kann er nicht einfach ein bleifreies Geschoss in der gleichen Gewichtsklasse auswählen und glauben, dass er damit glücklich wird. Wieso nicht?
Bleifreie Geschosse sind mit gleichem Gewicht länger als verbleite Geschosse. Dieser Umstand verringert das Pulvervolumen der Patrone, da das Geschoss tiefer in die Hülse gesetzt werden muss. Um im zulässigen Druckbereich bleiben zu können, muss die Pulverladung angepasst werden, was zu reduzierter Geschwindigkeit führen wird. Bleifreie Geschosse brauchen aber Geschwindigkeit, um ihre Deformationseigenschaften zu erbringen.
Zudem sind bleifreie Geschosse immer länger als ihre gleichschweren, verbleiten Geschosse. Dies führt dazu, dass ein 180grs. / 11.7g Geschoss aus einer .30-06 Springfield (je nach Drall) an die Stabilitätsgrenze kommt und miserable bis unbrauchbare Präzision erbringt.
Grundsätzlich sollte man bei Ersttests mit bleifreier Munition immer eine Gewichtsstufe zurückgehen und dann testen, wie die Patronen aus der eigenen Waffe schiessen. Einige Patronenhersteller setzen dabei auf massiv leichtere Geschosse, die dann mit extrem höherer Geschwindigkeit fliegen und die nötige Mehrgeschwindigkeit durch das leichtere Geschoss problemlos erbringen.
Nur sorgt erhöhte Zielauftreffgeschwindigkeit auch für eine höhere Wahrscheinlichkeit von massiver Gewebezerstörung und Hämatomen. Gerade Teilzerlegergeschosse mit massiver Geschwindigkeit sind für solche Ergebnisse berüchtigt.